Peter Strauß Am Sonntag, dem 7. Jänner 1934, bricht noch vor Sonnenaufgang auf einem kleinen Bauernhof in Aflenz Nr.52, nahe von Leibniz in der Südsteiermark, ein Brand aus. Der Bauer, Anton Tischler, seine beiden Söhne und zwei zu Hilfe kommende Nachbarn können nur mehr verhindern, dass sich das Feuer auch auf das benachbarte Wohnhaus ausbreitet. Der Heuschuppen sowie das darin gelagerte Saatgut und die Werkzeuge werden vernichtet. Es entsteht ein Schaden, der bei der ersten Einvernahme mit ca. 1500, in der Folge mit etwa 2500 Schilling angegeben wird. Der Schaden ist großteils durch eine Versicherung gedeckt.[1] Verdächtigt, das Feuer gelegt zu haben, wird der am 9. Juni 1900 in St. Johann im Saggautal geborene Tagelöhner Peter Strauß. Dieser war drei Tage zuvor am Hof. Nach einem Streit mit einem anderen Gast wurde Strauß des Hofs verwiesen. Er verließ diesen mit der Anmerkung, dass man noch an ihn denken werde.[2] Nach Peter Strauß wird gefahndet. Es wird in Erfahrung gebracht, dass Peter Strauß sich selbst wegen einer Schlägerei am 6. Jänner beim Gendarmerieposten im nahe gelegenen Gamlitz melden möchte, zuvor aber noch ein ärztliches Attest einholen will. Als Peter Strauß am 8. Jänner auf die Gendarmerie kommt, wird er verhaftet und nach Ehrenhausen gebracht. Auf die Frage, wo er die besagte Nacht vom 6. auf den 7. Jänner verbracht habe, gibt er an, im Haus seines Ziehvaters gewesen zu sein. Dieser Ziehvater wurde allerdings schon zuvor vernommen und sagte aus, den Verdächtigen bereits einige Tage nicht mehr gesehen zu haben. Mit dieser Aussage konfrontiert, gibt Peter Strauß an, in der besagten Nacht am Heuboden eines anderen Bauern gewesen zu sein. Im Polizeiprotokoll heißt es weiter, dass der Angeklagte schließlich aussagt: „Ich sehe, es bleibt mir nichts anderes übrig, ich muss es zugeben, dass ich bei Tischler angezunden habe. Ich habe es aus Rache getan.“[3] Durch dieses Geständnis wird Peter Strauß ans Bezirksgericht Leibniz überstellt, das das Verfahren an das Bundeskanzleramt weiterleitet. Die Staatsanwaltschaft am Wiener Landgericht I für Strafsachen, zuständig für Standgerichtsverfahren, erhebt Anklage. Am 10. Jänner beginnt um 15 Uhr der Prozess am Landesgericht Graz. Strauß widerruft sein Geständnis und bekennt sich zu Beginn für nicht schuldig. Bei der Befragung durch den vorsitzenden Richter wiederholt er sein vormaliges Geständnis allerdings doch wieder. Der Antrag der Verteidigung auf Prüfung der Zurechnungsfähigkeit wird abgewiesen. Am folgenden Prozesstag hebt der Staatsanwalt noch einmal die Schwere der Tat der Brandstiftung hervor. Die Verteidigung führt an, dass die Frage nach der Schuldeinsichtigkeit bei Peter Strauß wegen seiner geistigen Kondition nicht geklärt sei sowie dass eine Hinrichtung einen gesellschaftlichen Außenseiter treffen würde, womit die eigentliche Intention der abschreckenden Wirkung des Standrechts nicht erzielt würde und daher von dieser Verurteilung abzusehen wäre. Gegen halb 11 Uhr vormittags ergeht durch den vorsitzenden Richter Adolf Bayer der Spruch, wonach Peter Strauß nach § 166 und 167c des Strafgesetzbuches für schuldig befunden und zum Tod verurteilt wird.[4] Die Verteidigung ersucht um den Aufschub der Hinrichtung um die „dritte Stunde“, um ein Gnadengesuch an den Bundespräsidenten stellen zu können. In der Übermittlung dieses Gnadengesuchs spricht sich das Gericht für eine Begnadigung aus. Die Staatsanwaltschaft verweist hingegen auf die Anzahl der Vorstrafen, etwa wegen Eigentumsdelikten und Landstreicherei, und lehnt eine Begnadigung besonders mit dem Hinweis ab, dass beim vorherigen Standgerichtsfall eine Begnadigung ausgesprochen wurde, somit „nicht abschreckend gewirkt hat und ein Exempel statuiert werden soll“[5]. Die Staatsanwaltschaft bezieht sich dabei auf den ersten Standgerichtsprozess, der seit der Einführung des Standrechtes wegen Mord, Brandlegung und der öffentlichen Gewalttätigkeit durch besonders boshafte Beschädigung fremden Eigentums abgehalten wurde. Der Angeklagte Johann Breitwieser hatte am 10. Dezember 1933, nachdem eine am Hof seines Vaters arbeitende Magd von ihm schwanger geworden war, dieser die Kehle aufgeschnitten, um sich damit der bevorstehenden Konsequenzen zu entledigen. Er war mit einer anderen Frau verlobt und die Heirat in Vorbereitung. Es gelang der verletzten Magd allerdings, bis zum Nachbarhof zu fliehen und dort Johann Breitwieser als den Täter anzugeben. Die ihr zugefügten Wunden waren aber tödlich. Breitwieser, der aus einem angesehenen Elternhaus kam, wurde vor dem Welser Standgericht schuldig gesprochen. Anschließend wurde aber die Todesstrafe durch Begnadigung in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt.[6] Im diesbezüglichen Ministerratsprotokoll vom 15. Dezember 1933 führte Justizminister Schuschnigg an, Breitwieser stamme aus einer achtbaren Bauernfamilie und sei außerdem als loyal zu bezeichnen.[7] Dies brachte Schuschnigg großen Widerstand seiner Ministerkollegen, wie auch von Dollfuß, ein, der dazu anführte: „[U]nter den gegebenen Verhältnissen werde man künftig mit dem Standrecht nicht viel erreichen.“[8] Dieser Umstand hat nun weitreichende Konsequenzen für Peter Strauß. Schuschnigg leitet das Gnadengesuch an den Bundespräsidenten nicht weiter. Peter Strauß wird am 11. Jänner um 15 Uhr 25 Uhr in der Justizanstalt Graz Jakomini am Würgegalgen hingerichtet und ist somit das erste Todesopfer des Standrechts. In mehreren Tageszeitungen wird eine offizielle Erklärung zu diesem Fall abgedruckt: „Es hat sich leider gezeigt, dass die beim ersten Standgerichtsfall eingetretene Begnadigung zu lebenslänglichem schweren Kerker nicht jene abschreckende Wirkung gezeigt hat, die notwendig und beabsichtigt war. Es haben sich gerade in der Zwischenzeit eine ganze Reihe gefährlicher Brandstiftungen und anderer unter das Standrecht fallende Delikte besonders auf dem flachen Land ereignet, ohne dass es immer möglich war, den Täter zu erreichen oder in kürzester Zeit der zu überführen, was bekanntlich Voraussetzung einer standrechtlichen Behandlung ist. Es bedarf keines besonderen Hinweises, dass gerade die gegenwärtige Zeit einen besonderen Schutz zur Garantie der Ruhe, Ordnung und Sicherheit erfordert, und es wäre unerträglich, wenn die Auffassung entstünde, dass besonders gegen solche gemeingefährlichen Taten, wie sie auch schwere Fälle von Brandstiftung darstellen, nicht mit der alleräußersten, unerbitterlichen Strenge vorgegangen würde. Die Ruhe und Ordnung liebende Bevölkerung hat ein Recht auf diesen Schutz durch den Staat, der wiederum durch Einsatz seiner Machtmittel und Handhabung sämtlicher ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten dafür zu sorgen hat, dass Akte der Selbsthilfe überflüssig werden. Der Täter hat selbst eine gemeingefährliche Tat aus Rache gesetzt, und es musste auch ohne besondere Bedachtnahme auf die Tatsache seiner mehrfachen und schweren Vorstrafen mit der vollen Strenge des Gesetzes zur Sühne dieser gemeingefährlichen Tat sowie zur weithin sichtbaren Abschreckung vor gleichen oder ähnlichen gemeingefährlichen Taten für die Zukunft gerechnet werden.“[9] [1] Steiermärkisches Landesarchiv, ZGS Kt. 84, Zl. 103.517/34, Zl. 103.527/34 und Zl. 103.519/34 [2] Steiermärkisches Landesarchiv, ZGS Kt. 84, 22/1934, Zl. 103.517/34 [3] Martin F. Polaschek, In den Mühlen der Justiz. Der Standgerichtsprozess gegen Peter Strauss und die Wiedereinführung der Todesstrafe 1933, in: Michele Luminati, Ulrich Falk u. Mathias Schmoeckel (Hg.), Mit den Augen der Rechtsgeschichte: Rechtsfälle – selbstkritisch kommentiert, S. 399 [4] Österreichisches Staatsarchiv VI w, Zl. 30.685/34 [5] Ebd. [6] Ebd. [7] Ministerratsprotokoll Nr. 911, 15.12.1933, TOP 4 [8] Martin F. Polaschek, In den Mühlen der Justiz. Der Standgerichtsprozess gegen Peter Strauss und die Wiedereinführung der Todesstrafe 1933, in: Michele Luminati, Ulrich Falk u. Mathias Schmoeckel (Hg.), Mit den Augen der Rechtsgeschichte: Rechtsfälle – selbstkritisch kommentiert, S. 410 [9] Tagespost (Morganblatt), 12. Jänner 1934, S.9 |
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