Josef Stanek

Am 14. Februar werden 24 Männer in Graz vor ein Standgericht gestellt. Ihnen wird vorgeworfen,  zwei Tage zuvor eine Gendarmeriepatrouille beschossen zu haben. Zum Zeitpunkt der Tat ist das Standrecht jedoch noch nicht verkündet und so müssen sie an ein ordentliches Gericht überwiesen werden. Das politische Kalkül der Abschreckung durch das Standrecht gestaltet sich in Graz schwierig. Trotz zahlreicher Festnahmen ist der Nachweis der Teilnahme an den Aufständen kaum möglich.

In dieser Situation ist Josef Stanek der Einzige, dem man zumindest eine gewisse Beteiligung an den Kampfhandlungen vorzuwerfen vermag und der zum, wenn auch nur peripheren, Führungsbereich der Grazer SDAP gehört.

Josef Stanek ist Angestellter der Arbeiterkammer und hat mehrere Funktionen in der Gewerkschaft sowie im Umfeld der SDAP. Wegen seines energischen politischen Auftretens hatte er bereits mehrere behördliche Konflikte auszufechten. So war er zuvor 1920 und 1925 wegen „politischer Untriebe“ bestraft worden. Zwei weitere Verfahren wurden eingestellt.[1]

Am 13. Februar wird Josef Stanek in seiner Wohnung verhaftet. Der Strafakt ist verschollen. Lediglich einige Unterlagen der Staatsanwaltschaft sind erhalten.[2] Dabei handelt es sich großteils um Berichte von Kriminalbeamten über eine Schießerei am Mariahilferplatz in Graz.

Im einzig erhaltenen Vernehmungsprotokoll von Josef Stanek vom 14. Februar gibt dieser an, den Vormittag des 12. Februar in seinem Büro in der Arbeiterkammer verbracht und gegen 13 Uhr Mittagspause gemacht zu haben. Auf der Straße sei er Koloman Wallisch begegnet, der ihm mitteilte, dass in Linz Kämpfe ausgebrochen seien und der Generalstreik ausgerufen sei.

Dem Bericht des Kriminalbeamten Alfred Raab zufolge habe sich Stanek zu der vom Schutzbund bereits besetzten Wachstube in der Hackhergasse begeben und dort eine Rede gehalten. Auf dem Mariahilferplatz kommt es wenig später zwischen Angehörigen des Schutzbunds und einigen Kriminalbeamten zu einem Wortwechsel sowie einer Schießerei. Ob Stanek, dem die Flucht gelingt, selbst geschossen hat, ist unklar.

Stanek gibt weiter an, dann nachhause gegangen zu sein und dort einen Nervenzusammenbruch erlitten zu haben.

Zwei weitere Angeklagte, Johann Mörth und Erich Wogg, die wegen Beteiligung an den Kämpfen um die Hirtenschule und dem Schienenwalzwerk in Gösting vor Gericht stehen, belasten Stanek mit ihren Aussagen.[3]

Das Standgericht gegen Josef Stanek, Johann Mörth und Erich Wogg beginnt am 16. Februar. Als Zeugen sind lediglich Kriminalbeamte und seine eigene Frau, die sich der Aussage entschlägt, zugelassen.[4]

Am darauffolgenden Tag wird der Prozess fortgeführt. Das Urteil für Josef Stanek lautet schuldig im Sinne der Anklage. Es wird ihm eine dritte Stunde bis zur Urteilsvollstreckung gewehrt, um eine Begnadigung beim Bundespräsidenten erwirken zu können. Justizminister Schuschnigg entscheidet jedoch, den Antrag nicht an den Bundespräsidenten weiterzuleiten, „weil es sich um einen Führer handelt und nach einer Mitteilung des Landeshauptmannes in der Steiermark dort abschreckende Wirkung noch nicht erreicht ist“.[5]

Kurze Zeit später, 6 Minuten nach 4 Uhr nachmittags, ist das Urteil in der Justizanstalt Jakomini bereits vollstreckt.




[1]    Werner Anzengruber, Martin Polaschek, Der Februar 1934 und die Justiz, Graz 2004, S. 214f.

[2]    Staatsanwaltschaft Graz, St 1315/34; siehe: Werner Anzengruber, Martin Polaschek, Der Februar 1934 und die Justiz, Graz 2004, S. 355, Fußnote 51

[3]    Staatsanwaltschaft Graz, St 1315/34, St 1352/34 u. St 1443/34

[4]    Martin Polaschek, Die verwundenen Frauen des 12. Februar 1934 – eine Spurensuche in der Steiermark, S. 28f., in: Heimo Halbrainer (Hg.), Aufstand, Putsch und Diktatur: das Jahr 1934 in der Steiermark, S.25-29;  Werner Anzengruber, Martin Polaschek, Der Februar 1934 und die Justiz, Graz 2004, S. 219

[5]    ÖstA/AVA, BMJz, VI w ZI. 32.080/34