Koloman Wallisch

Am 28. Februar 1889 wird Koloman Wallisch in der damals zu Ungarn gehörenden Stadt Lugos geboren. Mit 15 Jahren tritt er als Maurergeselle in die neu entstandene Arbeiterbewegung  ein.[1]

Im Jahr 1905 kommt es in Ungarn zum Generalstreik. Wegen ihres gewerkschaftlichen Engagements für das allgemeine Wahlrecht und höhere Entlohnung werden Koloman Wallisch und sein Bruder Franz auf eine schwarze Liste gesetzt und können in Ungarn keine Arbeit mehr finden. Während sein Bruder in Wien Arbeit findet, geht Wallisch selbst zunächst nach Dresden. Danach kommt auch er zuerst nach Wien und später nach Triest.[2] In den Jahren 1910-1913 leistet er in Szeged seinen Militärdienst ab. 1915 heiratet er die aus Kärnten stammende Paula Pintér.

Aufgrund seiner Unterstützung der Feiern zum 1. Mai 1917 – die erste seit Beginn des Krieges – wird Koloman Wallisch inhaftiert und wegen Hochverrats und Aufwiegelung angeklagt.[3] Es droht die Todesstrafe. Er wird aber zum sofortigen Abgang ins Feld verurteilt und kommt im August 1917 an die russische Front. Belegt ist, dass er sich spätestens im August 1918 wieder in Szeged aufhält.[4]

Soziale und politische Reformen werden in Ungarn immer drängender. Im Oktober 1918 kommt es zur „Asternrevolution“. Im November wird Wallisch durch den Arbeiterrat in den Szegeder Nationalrat delegiert und zum Parteisekretär. Am 21. März 1919 kommt es zur Bildung der ungarischen Räterepublik unter Béla Kun.

Besonders seine Tätigkeit in der ungarischen Räterepublik von 1919 ist es, die ihn später, als er bereits Parteisekretär und Gemeinderat in Bruck an der Mur ist, zum Feindbild des österreichischen Bürgertums macht. Ab 1926 gibt es eine Vielzahl von Gerichtsprozessen gegen ihn, die sich entweder als haltlos oder stark übertrieben erweisen.[5] Ab 1930 ist Wallisch Abgeordneter zum Nationalrat.

Als am 12. Februar 1934 die Kämpfe in Linz ausbrechen, entschließt sich Koloman Wallisch dazu von Graz nach Bruck zu reisen. Am kommenden Tag ist der bewaffnete Kampf bereits beendet. Mehr als 300 KämpferInnen ziehen sich in die Berge zurück. Sie sind schlecht ausgerüstet, haben kaum Proviant. Es schneit. Immer mehr Leute trennen sich von der Gruppe und versuchen sich alleine durchzuschlagen und unterzutauchen. Am 18. Februar wird Koloman Wallisch auf der Flucht mit einem Auto von Leoben nach Admont gefasst und verhaftet.

Aus der Sitzung des Ministerrates in der Nacht vom 16. auf den 17. Februar geht hervor, dass die Ergreifung und standrechtliche Aburteilung von Wallisch ein prioritäres Ziel der Regierung bildet. Da seine Ergreifung bald erwartet wird, einigt man sich, obwohl die Wiederherstellung der öffentlichen Ruhe und staatlichen Ordnung im Wesentlichen bereits gegeben ist, eine lediglich teilweise Aufhebung des Standrechts zu vollziehen.[6]

Der Standgerichtsprozess gegen Koloman Wallisch und dem militärischen Kommandanten des Schutzbundes, Hubert Ruß, beginnt am 19. Februar um 14 Uhr 30 in Leoben. Auf die Frage zum Schuldbekenntnis erwidert Koloman Wallisch:

„Wenn Starhemberg, der den Tiroler Haimatschutz aufgeboten hat und Arbeiterheime besetzte und in Tirol die Regierung entsetzte und mit Gewalt die Verfassung bracht, sich schuldig fühlt, dann fühle ich mich, aber längst nicht so wie er, auch schuldig.“[7]

Seine Angabe, an den Kämpfen in Bruck gar nicht beteiligt gewesen zu sein, kann von der Anklage nicht widerlegt werden.

Zum Prozess merkt Rudolf Neck an, dass beim Lesen der Prozessakten die ausbleibende Berufung von Wallisch auf dessen Immunität als Abgeordneter zum Nationalrat ebenso erstaunt, wie dass die Rolle, die Wallisch auf der Flucht gespielt hat, von Seiten der Anklage nicht zum Thema gemacht wird. Insofern sieht es so aus, als ob für beide Parteien der Ausgang des Urteils klar festgestanden wäre.[8]

Wallisch führt vor Gericht aber seine eigene Überzeugung an, dass es für die Arbeiterschaft notwendig gewesen sei, sich endlich zur Wehr zu setzen. Auch wenn der Generalstreik, wie ihm klargewesen sei, den bewaffneten Kampf zur Folge gehabt habe.

Das scheint dem Gericht zu genügen. Alle Anträge der Verteidigung zur genaueren Verifizierung der Anschuldigungen werden vom Gericht wegen Spruchreife abgewiesen. Als Zeugen lässt man nur Gendarmeriebeamte zu.

Kurz vor neun Uhr abends ergehen der Schuldspruch des Verbrechens der Aufruhr und das Todesurteil der beiden Angeklagten Wallisch und Ruhs.

Die Angeklagten ersuchen um Gewährung einer dritten Stunde bis zur Vollstreckung des Urteils. Koloman Wallisch verzichtet auf ein Gnadengesuch. Sein Verteidiger reicht aber ein solches für ihn ein. Dieses Gnadengesuch erhält keine Unterstützung von den Richtern Marinitsch, Brunner, Petsche und Hotter. Schuschnigg leitet dieses Gesuch auch nicht an den Bundespräsident Miklas weiter. Miklas allerdings versucht aktiv zu werden, um im Falle Wallisch von seinem Begnadigungsrecht noch Gebrauch machen zu können.[9] 

Koloman Wallisch wird einige Minuten vor Mitternacht vom Gerichtsmediziner für tot erklärt.

Bereits im März sowie auch im Folgejahr am Todestag werden mehrere Demonstranten von der Exekutive von Wallischs Grab vertrieben.[10]

 



[1]     Katalin Soós, Koloman Wallisch – Eine politische Biographie, Wien 1990, S.3

[2]     Paula Wallisch, Ein Held stirbt, Graz 1978, S.75ff.

[3]     Ebd., S.98ff.

[4]     Katalin Soós, Koloman Wallisch – Eine politische Biographie, Wien 1990, S.12

[5]     Siehe: Rudolf Neck, Koloman Wallisch 1934, S. 305ff., in: Karl Stadler (Hg.), Sozialistenprozesse – Politische Justiz in Österreich 1870-1936, Wien 1986;Günther Nenning, Koloman Wallisch, S.416ff., in: Norbert Leser (Hg.), Werk und Widerhall, Wien 1964; Allgemeines Verwaltungsarchiv, Justiz Zl. 224.052-19/26, 243.653/27, 244.808/27, 245.166/27, 245.821/27, 24.576/27, 247.233-19/27, 30.255/29 u. 33.443-19/27

[6]     Allgemeines Verwaltungsarchiv, Ministerprotokoll Nr. 923, 16. u. 17. Februar 1934

[7]     Steiermärkisches Landesarchiv, Strafakt 809/34 des Kreisgerichts Leoben

[8]     Rudolf Neck, Koloman Wallisch 1934, S. 309, in: Karl Stadler (Hg.), Sozialistenprozesse – Politische Justiz in Österreich 1870-1936, Wien 1986

[9]     Hilde Lang, Bundespräsident Miklas und das autoritäre Regime 1933-1938, Wien 1972

[10]    DÖW 7073